Gegenwind, Polizeieskorte und Romantik

Komme früh nicht voran. Gegenwind und ein ständiges auf und ab. Meine Straße schlängelt sich um und über Hügel, ab und an wird sie wieder an die Straße Nr. 7 herangeführt. “Motorway Ahead”. Nr. 7 lässt sich in seinem Verlauf nicht von Bergen beeindrucken, Nr. 7 bohrt dort ein Loch und basta. Dafür bietet Nr. 7 aber auch nur Leitplanken und wenig Aussicht.
Meine Straße kostet viel Schweiß (ja, das ist so). Postkartenmotive werden gegen Nachmittag mehr.

Pedaliere zu einem Aussichtspunkt und blicke auf vier große Kugeln am Strand. Dort werden Atomkerne gespalten und irgendwann kann man damit bunte Reklametafeln beleuchten. Gestern war ich erst an der “Nuclear Meister High School” vorbeigeradelt.
Regelmäßig komme ich ausserdem an Hinweisschildern vorbei auf denen die nächste Tsunami Evakuierungsroute zu lesen ist. Aber diese Naturextreme passieren ja nicht jede Woche und überhaupt ist Atomkraft sicher. Viele Menschen arbeiten im AKW. Bei einem Cafébesuch gestern Abend waren es drei von 10.

Auf meiner Straße ist nichts los. Mehrfach kommt ein Polizeiauto an mir vorbei gefahren. Dann eine Durchsage per Lautsprecher. Aha. Ein paar hundert Meter weiter warten die Herren lange (ich will ja auch Fotos machen).

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Einer spricht Englisch. Wohin ich wolle und ob ich allein unterwegs wäre. Das war’s.

Nun überrascht mich ein Schild. “Straße der Romantik”. Oh. Hier in der Provinz Gangwondo!? Meine Erwartungen schnellen ins Unermessliche. Ah, es lassen sich durchaus einige sehr schöne Blicke auf malerische Buchten genießen.
Friedrich von Schlegel wäre sicher an der semantischen und geographischen Wanderung seiner Wortschöpfung interessiert.

Zelte am Wonpyeong Beach und bekomme Würste geschenkt. Hach Ihr Lieben.

60 km
790 hm
sonnig, heiß

Die Ostküste im Sonnenschein nach Uljin

Die Küstenstraße weiter gen Norden.

Ohne Siesta geht es bei dieser Hitze allerdings nicht, dazu bietet sich einer der Strände an. Abgesehen von drei streunenden Hunden ist nichts los.

Die Granit- und manchmal auch Sandsteinfelsen luken aus dem Wasser und ergeben von der Sonne ins Licht gesetzt ein herrliches Bild. So macht Rad fahren Spaß!

Der Mangyeong Pavillon liegt auf einem kleinen Hügel kurz vor Uljin und bietet Aussicht über Meer und Berge. Schöner Platz.

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67 km
360 hm
sonnig, heiß
Uljin

Heiß

Nachdem sich in der Mittagshitze schon Halluszinationen einstellen…

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…Zeit für eine Pause :-) .
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Stahl, Comicfiguren mit MG und Krabben

Sehr vielseitig war es heute. Starte bei Pohang der Heimat von POSCO, also der Pohang Steel Corporation. Dieses Unternehmen prägt die Stadt und das Umland. Ausserdem die Luft. Über dem Werktour Nr 2 steht deshalb der Slogan “Green and Clean” und bei Tor 1 “Resources are limited, creativity is unlimited”.
Fahre zwischen POSCO und einer achtspurigen Straße auf einem Radweg.
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Verlasse Pohang und radle an Armeeareal vorbei. Ein Plakat mit Comicfigur in Uniform mit MG weist auf das Fotoverbot hin. Selbst auf Visitenkarten großer Unternehmen: Comicfiguren. Nett irgendwie.

Plötzlich ein Wolkenbruch. Eine Tankstelle ist meine trockene Rettung. Sehr gastfreundlich, die Tankwärtin bringt mir einen Kaffee.

Radle die vierspurige 7 auf dem Seitenstreifen und bin froh, als diese weiter ins Landesinnere abbiegt und es auf einer verkehrsarmen Straße weitergeht. Krabben jeder Größe kann man aus den Aquarien auswählen…

Die Route ist Klasse, die Brandung, herrliche Aussichten. Leider kein blauer Fotohimmel.
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Deokcheon Strand Zelte im Kiefernwald
93 km
810 hm
smog, später bewölkt und ein Gewitter

Bulguksa nach Pohang an der Ostseeküste

Radle eine geniale Straße von Bulguksa hoch zur Seokguram Grotte. Die Steigung ist nie größer als 10%, so lässt es sich prima durch den Wald hochkurbeln. Wieso ausgerechnet diese Straße für das Radfahren gesperrt ist, erschließt sich mir nicht. Vielleicht wegen der Reisebusse am Wochenende?

Die Seokguram Grotte entstand im Jahr 751. Derzeit sitzt der aus Granit sehr fein gemeiselte Buddha aber auf einer Baustelle und sein Gefolge versteckt sich hinter Gerüsten.

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Es ist heiß und auf Bergen weht Wind, also nichts wie hoch zum Tohamsan (765 m). Schöner Pfad und auf dem Gipfel ein Rundblick.

Kaufe bei den Frauen auf dem Parkplatz einen Becher Brom?Beeren und da ich ja immer alles dabei habe, zaubere ich ein köstliches Müsli mit diesen und Milch. Mir wird gleich erklärt, dass man die auch direkt in den Mund stecken kann. Aha.

Rolle runter und hoch und runter.
Koche Kaffee im Schatten einer fünfstöckigen Steinpagode beim ehemaligen Janghanri Temple.

Es ist schon später Nachmittag und es sind noch 30 km nach Pohang. Straßen 4 und 14. Auch hier wird gerade eine Autobahn durch die Berge gebohrt. Die Baustellenlaster quälen sich mit ihrer Dreckladung auch die Berge hoch.
Die letzten Kilometer sind einfach runter bis kurz vor die Ostküste.

Beobachtungen:
In einem Dorf wird eine “Silver Zone” ausgeschildert.
Wieder Wahlkampf. Frau mit riesigen Handschuhen tanzt an Kreuzung ohne Musik und will die vorbeikommenden Autofahrer für Liste 5 gewinnen.
Ein LKW mit rhythmischer Musik fährt einen breit lächelnden Mann auf einem Plakat durch die Straßen.
Ist lustiger als die Wahlplakate in Deutschland!

54 km
1020 hm
sonnig, heiß

Kontrastprogramm Grabhügel, Kaffee, Liebesschloss und 불국사

Nachdem ich mein fragwürdiges Quartier verlassen habe, umrunde ich die grassbewachsenen Grabhügel der koreanischen Royals die mitten in der Stadt Gyeongju liegen.
Auf der Suche nach einem Café in dem ich meine weitere Reise gedanklich bei einem Scheelchen Heesn durchradeln kann, gelange ich nach Bomun. Ein am See gelegenes Hotelviertel für Menschen die sich gern bespaßen lassen. Von der Achterbahn bis zur Spa ist an alles gedacht.
Nun, da ich weiß, wo es demnächst in etwa entlanggehen wird, radle ich erst einmal in die ‘falsche’ Richtung und lande beim Sexmuseum Liebesschloss. Gehe nicht hinein, da ich gerade keine Fotos mit zwei Meter großen Penissen brauche, obgleich mich die Tonaufnahmen des ‘Liebesakts’ aus aller Welt dann schon interessiert hätten so aus anthropologischer Sicht :-) .

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Mein Ziel, den Bulguksa 불국사 Tempel erreiche ich am Nachmittag. Eine wunderbare Lage am Berg und so unglaubliche Dinge wie das ‘Tor des reinen Landes’ welches zum Hof mit der ‘Paradieshalle’ führt.

Treffe hier zwei Deutsche die lustigerweise das Paar von der Insel aus dem deutschen Dorf kennen bei denen ich kürzlich Kaffeetrinken war. Die Welt ist überschaubar.
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Übernachte in Motel unterhalb des Tempels. Die touristische Infrastruktur lässt auf Massen an den Wochenenden schließen. Heute am Montag ist es himgegen wie ausgestorben.

30 km
400 hm
früh bewölkt, nachmittags sonnig, heiß

Gyeongju

Nachdem ich am morgen durch die Berge gewandert bin, auf einem Hubschrauberlandeplatz mit Blick gefrühstückt habe, nehme ich den Weg durchs Tal in die Hauptstadt des ehemaligen Sillareiches.
Lange Täler sind in Südkorea rar, also sind sie voll mit zivilisatorischen Errungenschaften wie Straßen. Radle auf der vierspurigen Landstraße, rechts von mir die Autobahn. Dank des Rückenwindes komme ich flott voran.
In Gyeongju dann weißen viele Schilder auf Königsgräber hin. Biege ab und vor mir ein grasbewachsener Hügel um die 15m hoch.
Fahre in die Stadt und gerade als ich mit der Zimmersuche beginnen will ein Wolkenbruch. Biege in das erstbeste Motel ein und zahle ohne das Zimmer vorher anzuschauen. Es war günstig und verfügt doch über einzigartige Einrichtungsgegenstände!

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Hatte bislang immer sehr saubere Zimmer und erlebe nun auch mal ein ziemlich abgewohntes Ambiente. Eine Nacht halte ich das aus. Es regnet immer noch.
67 km
710 hm
sonnig, heiß, abends Regen

Seonri

Radle zunächst am samstaglich gut besuchten Nakdonggang auf dem Radweg heraus aus der Stadt Busan. Bei Wonri biege ich auf die 69 ab und schon  geht es aufwärts.

Als ich auf 400m bin kommen mir zwei Rennradler entgegen und schreien entsetzt und/oder begeistert ob meiner schwer bepackten Erscheinung. Kurz darauf runter auf 200m und wieder hoch. Das ist immer sehr spannend…

Entlang der 69 viel touristische Infrastruktur. Holzhäuser die aussehen wie in Schweden mit klangvollen Namen wie Alpinia, Venecia oder Caribe. Alles an einem Fleck. Davor parken die weißen und schwarzen Autos der Einheimischen. Lansam glaube ich das ein großer Teil der Bevölkerung das sind was man bei uns als Spießer bezeichnen würde.

Zelte mangels Stränden (das war toll!) im Wald mit Blick auf Hügel. Gleich über dem Tunnel mit 16% Gefälle. Wanderweg zum Gipfel des Neungdongsan, falls jemand in der Nähe sein sollte :-) .
N 35 34.800 E 129 01.440
Nicht sonderlich luxuriös aber exklusiv und ruhig!
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73 km
1020 hm
sonnig, diesig

Busan der Wadenbeißer

Busan 6:30:

Die Nachtfähre trifft ein und ich rolle von der Pool Position herunter ins noch ruhige Busan.

Die Wonzeichen in den Augen begebe ich mich zu dem Geldautomaten, der mir bei meinem letzten Besuch wohl gesonnen war. Dieses mal ist er verklemmt, Windows NT startet mühsam, die Sanduhr dreht sich und ein Bluescreen sorgt für Vertrauen. Irgendwann darf ich die Karte reinstecken: “The card is not unable to use.” Aha. Heute also nicht.

Auf der Openstreetmap entdecke ich eine Ansammlung von Geldautomaten in nur einem Kilometer Entfernung. Radle hin. Betrete ein Bürogebäude in dem sich auch eine Bank befindet. Ein Pförtner salutiert die Hakken zusammenschlagend, die weiß behandschuhte Hand an der Hutschnur. Oh. Allerdings lief schräg neben mir ein kleiner Koreaner im Anzug.
Geldautomaten gibt es hier keine.

Ein Gebäude weiter die HANA Bank. Jubel, ich bekomme ein Bündel Won. Der Pförtner hier ist weniger militärisch straff aber von den Lasten die ich mit meinem Rad bewege beeindruckt.

Schnurre über den Jagalchi Fischmarkt wo große und kleine Seeungeheuer und Fische von Menschen in viel zu großen gelben Gummihosen mit Wasser beglückt oder für die nahenden touristischen Fressfeinde ins rechte Licht gerückt werden. Sehr geschäftig das alles. Aber ich suche ja keine Flunder sondern eine Unterkunft.

Finde kurz darauf Motels, aber überall kleben Plakate mit Frauen in Bikinis die lüstern in die um diese Uhrzeit recht leeren Gassen blicken. Nur Männer mit Zigarette im Mundwinkel sitzen in Plastikstühlen vielleicht noch vom Vorabend?

Radle durch die BIFF Zone. Irgendwann kombiniere ich das mit den vielen Kinos hier und es muss sich um die Busan International Film Festival Zone handeln.

Und schon stellt sich ein frecher Hügel vor mir auf. Er geht nicht weg. Meine Waden und Oberschenkel sind noch nicht ganz über den Hallasan hinweg, da ist schon wieder so ein Berg. Aber nur ein kleiner. 160 m. Schwupp, drüber.

Bin nun in einem gesitteten Viertel :-) mit Wohnhäusern, Geschäften und vielen weißen und schwarzen Autos. Finde ein Hotel. Wie immer das kleine Fenster mit den dunklen Scheiben auf Bauchnabelhöhe. Optimale Sitzhöhe für den der dahinter auf Gäste wartet aber für den Gast ungewohnt, aber sehr kinderfreundlich.

Im Zimmer arbeite ich mich durch meine Taschen und gehe danach einkaufen, so wichtige Dinge wie einen zweiten Akku. Kaufe den Akku dem Verkäufer aus seinem Handy ab, neue lassen sich nicht auftreiben.

Unterwegs beobachte ich wieder interessante Dinge wie zum Beispiel eine Straßenkreuzung an der an jeder Ecke eine Gruppe von vier rot gekleideten Frauen steht die sich “Hana Dul Set” (Eins Zwei Drei) von der ersten der Damen eingezählt vor den Autofahrern tief verneigen. Diese kulturellen Facetten erscheinen mir merkwürdig was aber einfach an den mangelnden Sprachkenntnissen liegen dürfte. Zwei Personen mit einem erleuchteten Plakat auf dem Rücken, also so eine Art Werberucksack, sind ebenfalls mit von der Partie und auf meine Frage, was sie denn da so treiben, meine ich in der Antwort die Namen von Politikern zu hören. Im Juni stehen die Lokalwahlen an und der koreanische Wahlkampf ist eben so.

Fähre nach Busan

Um 19 Uhr geht meine Fähre von Jeju nach Busan, die Ankunft ist für 6 Uhr avisiert. Das Rad ist schon an Bord und wurde fachmännisch mit einem Seil kurz hinter der Frachtluke angebunden.
Werde meine Isomatte im großen Schlafsaal ausrollen :-) .